Verweiblichung der Medizin

Zunehmende Verweiblichung der Medizin

 

„Feminisierung“ der medizinischen Versorgungslandschaft – immer wieder wird in gesundheitspolitischen Diskussionen der steigende Anteil weiblicher Kolleginnen als einer der Faktoren für Versorgungsengpässe genannt. Ärztinnen seien weniger zu Überstunden oder überhaupt Vollzeitstellen bereit; sie bevorzugten Teilzeitanstellungen, am liebsten ohne Führungsverantwortung – heißt es.

Die Zahlen sprechen erst mal für sich – 2018 wurden deutschlandweit 1556 Anerkennungen im Facharztbereich Allgemeinmedizin ausgesprochen, davon 1027 an weibliche Kandidatinnen. Im Bezirk Koblenz wurden im selben Zeitraum 30 Anerkennungen in der Allgemeinmedizin ausgesprochen, 20 davon waren für Ärztinnen. 39% aller in der Allgemeinmedizin Beschäftigten sind Hausärztinnen. Dabei sind mit 26% Ärztinnen fast doppelt so viel in Teilzeitanstellung wie ihre männlichen Kollegen.

Bei näherer Betrachtung jedoch ist auch die männliche Ärzteschaft nicht mehr bereit, sich der ungebremsten Selbstausbeutung, die frühere Generationen geprägt hat, auszuliefern. Zunehmend rückt die Bedeutung der „Work-Life-Balance“ in den Vordergrund – wie überhaupt verbreitet bei den jüngeren Jahrgängen in allen Berufssparten.

Nicht vergessen sollte man auch die Rolle der Angehörigen im früheren Arzt-Haushalt. Wie oft unterstützten Familienangehörige, v. a. die Arztgattinnen, ihre auf Hausbesuch befindlichen Männer als Telefon-Hintergrund, als Buchhalterinnen oder Praxis-Managerinnen. Diese häufig nicht entlohnte und noch häufiger nicht wahrgenommene Unterstützung wäre heute nur in einer hochdotierten Anstellung darstellbar.

Nach einer im Mai 2019 für die apobank durchgeführten Studie „Kittel und Kind“ können sich nur etwa ein Viertel der Befragten (gender-unabhängig) eine Oberarzt- oder Chefarztstelle als familienfreundlich vorstellen, als Assistenzarzt im stationären Bereich ebenfalls nur zu weniger als einem Drittel.

Hier schneiden übrigens sämtliche ambulante Varianten, z. B. BAG (Berufsausübungsgemeinschaft) oder MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum), mit über 80 Prozent Befürwortung der Befragten deutlich positiver ab.

Damit sind für die Suche zukünftiger Beschäftigungsverhältnisse die sogenannten „soft skills“ bzw. Faktoren des sozialen Umfeldes häufig entscheidender als das tatsächliche Gehalt oder der Aufstieg in einer Karriere-Hierarchie. Und genau hier liegen auch die Chancen für interessierte Arbeitgeber/Innen; schaffen sie es, diese „soft skills“ mindestens teilweise im angebotenen Arbeitsverhältnis zu verwirklichen bzw. anzubieten, werden sich mehr potenzielle Kandidat/Innen finden.

 

Dr. med. Anja Meurer, Neuwied