Verleihung der Johannes-Müller-Medaille an Frau Daniela Lempertz

Daniela Lempertz

(v.l.n.r.): Daniela Lempertz, Dr. med. Karlheinz Kurfeß, Sabine Maur

Anläßlich der Vertreterversammlung am 15.06.2022 in der Rhein-Mosel-Halle Koblenz wurde Frau Daniela Lempertz, Kinder- und Jugentlichenpsychotherapeutin aus Unkel, durch den Vorsitzenden, Dr. med. Karlheinz Kurfeß, die Johannes-Müller-Medaile verliehen. Frau Daniela Lempertz hat sich aufgrund ihrer besonderen Verdienste im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe an der Ahr im Jahr 2021 ausgezeichnet. Die Laudatio wurde von der Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Frau Sabine Maur, vorgetragen.

Die Laudatio im Wortlaut:

 

Sehr geehrter Dr. Kurfeß,

sehr geehrte Kolleg*innen der Bezirksärztekammer Koblenz,

sehr geehrte Frau Lempertz,

 

in der Krise beweist sich der Charakter, hat Helmut Schmidt einmal gesagt.

Keine Krise ist bürokratisch lösbar. Krisen werden überhaupt nur bewältigt, weil Menschen über sich hinauswachsen, aktiv werden und in einer Situation voller Unwägbarkeiten auch ins persönliche Risiko gehen.

Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat über viele Menschen größtes Leid gebracht – Tod, Trauer, materielle Verluste, körperliche und schwere psychische Verletzungen gebracht. Und sie hat gleichzeitig eine unglaubliche Welle des Mitgefühls, der Hilfsbereitschaft und der Unterstützung ausgelöst.

Die Landespsychotherapeutenkammer hatte im Juli 2021 sofort Kontakt zur Landesregierung aufgenommen. Wir haben damals sofort deutlich gemacht, dass die psychischen Folgen dieser Katastrophe - kurz- und langfristig - die wesentliche gesundheitliche Herausforderung sein werden.

Wir haben unsere Mitglieder zur Hilfe aufgerufen und bereits montags dem Opferbeauftragten der Landesregierung eine Liste mit vielen Psychotherapeut*innen übergeben können, die für die Versorgung zur Verfügung standen.

Aber: vor Ort waren wir als Kammer nicht. Vor Ort in diesem unfassbar zerstörten Ahrtal war Daniela Lempertz, und zwar sofort, und in der Folge auch für viele Monate.

Daniela Lempertz ist gelernte Krankenschwester und hat jahrelang auf Intensiv gearbeitet. Sie hat dann Sozialpädagogik studiert und wurde 1999 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin approbiert. Seit 2006 ist sie niedergelassen in eigener Praxis, zunächst in Neuwied, dann in Unkel. Ihr besonderer Schwerpunkt war von Beginn an die Behandlung traumatisierter Kinder und Jugendlicher. Sie hat sich in Psychotraumatologie, Traumatherapie und EMDR fortgebildet und ist Supervisorin für EMDR. Sie ist Vorstandsmitglied im EMDR-Fachverband EMDRIA und Gründungsmitglied der Global Child EMDR Alliance. Diese internationale Alliance von EMDR-Therapeut*innen gründete Daniela Lempertz 2020 gemeinsam mit Kolleg*innen mit als Antwort auf die psychischen Belastungen für Kinder durch die Corona-Pandemie.

Aus Kammersicht war Daniela Lempertz bereits 2015 „auffällig“ geworden. Als damals viele geflüchtete Menschen nach Deutschland kamen, initiierte sie ein Gruppentherapieprogramm zur traumatherapeutischen Unterstützung von Kindergartenkindern. Sie erstellte ein Behandlungsmanual, organisierte Unterstützung durch den Kreis Neuwied, den Lions-Club Neuwied-Andernach und durch den Fachverband EMDR Europe. Psychoedukationsveranstaltungen für Erzieherinnen und Integrationshelferinnen wurden durchgeführt und schließlich die Gruppentherapien mit den Kindergarten-Kindern selbst. Nicht in ihrer Praxis, sondern vor Ort in den Kindergärten.

Damals sagte Daniela Lempertz in einem Interview mit der Kammer: „Die Folgen des Krieges waren bis an den kleinen Tisch in der Kita zu spüren. Immer wieder haben die Kinder gefragt: Kommt der Krieg auch hier hin?“ – Sätze, die jetzt auch wieder ukrainische Kinder fragen.

Und dann also im Juli 2021 die Flutkatastrophe im Ahrtal.

Daniela hat mir später erzählt, dass sie sich dem Ahrtal besonders verbunden fühlte, weil sie selber aus Mendig stammt. Direkt am Tag nach der Flut hat sie sich auf den Weg gemacht nach Ahrbrück. In der ersten Zeit ging es darum, die Menschen zu beruhigen, Orientierung und Sicherheit zu vermitteln.

Sie gründete dann zusammen mit zwei Kolleginnen aus Nordrhein-Westfalen das Netzwerk „Soforthilfe Psyche“. In diesem Netzwerk boten dann über 400 PP, KJP und ÄP ihre Hilfe an, so dass im Bedarfsfall innerhalb von 24 Stunden ein Platz für eine Akuttherapie vermittelt werden konnte. Wer weiß, wie unfassbar lang normalerweise Wartezeiten für einen Psychotherapie-Platz sind, kann dieses herausragende Engagement der Psychotherapeut*innen besonders würdigen.

Daniela Lempertz unterstützte also nicht nur selbst aktiv Menschen im Ahrtal psychotraumatologisch, sondern sie baute gemeinsamen mit ihren Kolleginnen Susanne Leutner und Claudia Faust ein großes Netzwerk und örtliche Hilfsstrukturen auf. Interdisziplinäre Zusammenarbeit war dabei eine Selbstverständlichkeit.

Um dieses herausragende ehrenamtliche Engagement auch mit finanziellen und personellen Ressourcen zu unterstützen, wurde ein Gruppen-Projekt von Soforthilfe Psyche, dem Ministerium für Gesundheit und Wissenschaft und der Landespsychotherapeut*innen-Kammer RLP ins Leben gerufen. Diese „Informationsgruppen zur Orientierung bei Stress und nach Trauma“ wurden und werden in Kindergärten, Schulen, Gemeinden und Betrieben durchgeführt. Den Bewilligungsbescheid für dieses gemeinsame Projekt hatte MP Malu Dreyer persönlich an Daniela Lempertz und die Kammer im Dezember 2021 überreicht.

Im Zuge der Kooperation mit Ministerium und Kammer bewies Daniela Lempertz auch große Resilienz im Umgang mit Bürokratie und den bekannten rigiden Strukturen im Gesundheitswesen.

Sie trug durch ihren fachlichen Input maßgeblich dazu bei, dass der Zulassungsausschuss in diesem Frühjahr fünf zusätzliche (Teil-)Versorgungsaufträge als Sonderbedarf für PP und 1,5 Ermächtigungen für KJP im Ahrtal bewilligte. Das ist wirklich ein Meilenstein, was die psychotherapeutische Versorgung der Menschen im Ahrtal angeht und eine Anerkennung des zentralen Stellenwertes von psychischen Erkrankungen in Folge eines solchen Extremwetterereignisses. Leider ist diese Flutkatastrophe auch ein früher Vorbote der starken gesundheitlichen und sozialen Belastungen, die die Klimakrise mit sich bringen wird.

In der Krise beweist sich der Charakter, habe ich eingangs zitiert. Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Daniela Lempertz hat aus tiefer Empathie und Mitmenschlichkeit heraus Furchtlosigkeit und ein herausragendes ehrenamtliches Engagement für die Menschen im Ahrtal gezeigt. Sie hat ihre sichere Praxis verlassen und den betroffenen Menschen im Ahrtal persönlich und fachlich zur Seite gestanden. Sie hat exzellente Fachlichkeit verbunden mit der Fähigkeit zu Kooperation und dem Aufbau von Strukturen in widrigsten Umständen.

Sehr geehrte Frau Lempertz, liebe Daniela,

ein besseres Berufsethos als Psychotherapeutin ist nicht vorstellbar. Deshalb ist die Verleihung der Johannes-Müller-Medaille für dieses herausragende Engagement absolut verdient.