Verleihung der Johannes-Müller-Medaille an Dr. med. Andre Borsche

Die Laudatio hielt der Ehrenvorsitzende der Bezirksärztekammer, Sanitätsrat Dr. med. Hans Jöckel.

 

 

 

Das Bild der Ärzteschaft in den Medien ist seit Langem, vorsichtig ausgedrückt, nicht das Beste. Da wird berichtet von Tausenden von Kunstfehlern, betrügerischen Abrechnungen und von verantwortungslos langen Wartezeiten der Patienten bei der fachärztlichen Behandlung. Die Ärzte kümmerten sich offenbar weniger um das Wohl der Patienten als vielmehr um die Höhe der Honorare. Wir alle hier in diesem Raum wehren uns gegen diese Diffamierung unseres Berufes, aber wir wissen aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, ein einmal gefasstes und immer wiederholtes Vorurteil zu widerlegen.

Es bedarf eines Exempels, dass sich ärztliches Denken und vor allem ärztliches Handeln auf einem anderen Niveau bewegen, als das in vielen Medien heute dargestellt wird. Und um einen Kollegen zu würdigen, der ein solches Exempel statuiert hat, sind wir heute hier zusammen.

Lieber Herr Kollege Borsche, erlauben Sie mir, dass ich in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit den Anwesenden Ihr verdienstvolles Wirken schildere.

Sie haben sich neben Ihrer Tätigkeit als Chefarzt der Abteilung für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie im Kreuznacher Diakonie-Krankenhaus zusammen mit Ihrer Ehefrau und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihrer Abteilung seit vielen Jahren in hervorragender Weise im Verein Interplast engagiert.

Der im Jahr 1965 in den USA gegründete gemeinnützige Verein hat sich die Aufgabe gestellt, in medizinisch unterentwickelten Ländern Patienten mit Gesichtsfehlbildungen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Handfehlbildungen, schweren Verbrennungsnarben, Tumoren der Haut und des Kopfes, Defekte durch Unfälle oder Kriegsfolgen operativ zu behandeln.

Sie opfern dafür einen Grossteil Ihres Urlaubs für Einsätze vorwiegend in ländlichen Regionen Indiens und Afrikas, in Bolivien und Tschetschenien. In eindrucksvoller Weise beziehen Sie damit eine Gegenposition zum leider auch im Gesundheitswesen weiter um sich greifenden Kommerz- und Profitdenken.

Sie erfüllen damit die alte Forderung an uns Ärzte: Salus aegroti suprema lex, das Wohl des Kranken ist oberstes Gesetz unseres Handelns. Zusätzlich zu diesem Engagement haben Sie auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene die Funktion des Vorsitzenden von Interplast übernommen und damit noch zusätzlich Ihre Arbeitskraft eingesetzt für eine gute Sache im wahrsten Sinne des Wortes.

Nun ein Wort zu Johannes Müller, dem Namensträger der heute zu vergebenen Medaille. Er wurde 1801 hier in Koblenz geboren, das damals einmal wieder von den Franzosen besetzt war. Entgegen dem Willen des Vaters, einem Sattlermeister, besuchte er auf Betreiben seiner Mutter das Gymnasium. Nachdem Koblenz 1815 preußisch geworden war, machte Müller 1819 das von Preußen neu eingeführt Abitur, das zum Studium an der Universität berechtigte. Er immatrikulierte sich in Bonn für das Studium der Medizin und begann schon während des Studiums mit biologischen Experimenten am Tier. 1824 habilitierte er sich an der Medizinschen Fakultät Bonn für die Fächer Physiologie und Vergleichende Anatomie. Bereits 1830, mit 29 Jahren, wurde er zum ordentlichen Professor ernannt. Drei Jahre später erging an ihn der Ruf auf den Lehrstuhl für Anatomie und Physiologie an der Universität Berlin. Hier formulierte er die Forderung: „Die Medizin kann wahre Fortschritte nur dadurch machen, dass die ganze Physik, Chemie und alle Naturwissenschaften auf sie angewendet werden.“

Müller wurde damit zum Gründer der modernen, naturwissenschaftlich fundierten Medizin. Zu seinen Schülern gehörten:

Rudolf Virchow, der später weltberühmte Pathologe; Du Bois-Reymond, der bedeutende Physiologe, von Helmholtz, der Pionier der Augenheilkunde und auch Ernst Haeckel, der bedeutende Naturphilosoph. Müller selbst gelang unter anderem der experimentelle Nachweis der sensorischen und motorischen Anteile der Spinalnerven, und er formulierte die Lehre von den Reflexen.

Johannes Müller starb im Jahre 1858.

Die Ärztekammer Koblenz pflegt mit der Stiftung der Johannes-Müller-Medaille die Erinnerung an diesen großen Wissenschaftler und zeichnet mit der Medaille Persönlichkeiten aus, die sich um das Ansehen der Ärzteschaft verdient gemacht haben, und sieht in Ihnen, lieber Herr Kollege Borsche, einen würdigen Träger dieser Auszeichnung.