Forum „Inventur“ vom 24.02.2010

Koblenz, 24.02.2010. Wie ist es um das Berufsbild der Ärzte, ihre Zufriedenheit und ihre Profession bestellt? Sind Mediziner in ihrem Handeln noch Selbstständige oder entwickeln sie sich unter dem zunehmenden Druck mehr und mehr zu ‚Ausführende‘ im Dienste von Politik und Wirtschaft? „Inventur“ nannte die Bezirksärztekammer Koblenz ihr Diskussionsforum, zu dem sie Entscheidungsträger aus den Kreisärzteschaften und Verbänden an den Tisch holte, um eine gemeinsame Positionierung und Neuorientierung mit anzustoßen.

 „Die vielen Reformen und Veränderungen im Gesundheitswesen werfen Fragen nach unserem Selbstverständnis auf“, machte Vorsitzender Dr. Martin Fuchs einleitend deutlich. Entscheidungen würden über die Köpfe der Ärzte hinweg getroffen. Statt die Kompetenz der Ärzte miteinzubinden, entscheiden zunehmend die Ökonomen allein, was zu tun sei. Diese Regulierung/Normierung bis in die kleinsten Bereiche habe mit ärztlicher Kompetenz und ärztlichem Handeln fast nichts mehr gemeinsam. So die deutlichen Worte des Bezirksärztekammer-Vorsitzenden.

Burnout und Überforderung bei Ärzten

In der Diskussionsrunde angeführte Probleme aus Klinik- und Praxisalltag gaben einen beunruhigenden Blick auf den Ist-Zustand: Viele Mediziner sehen den Spielraum für ärztliches Handeln und die Zeit für Patientenzuwendung schwinden, während Bürokratismus, Dokumentationspflichten, Qualitätsmanagement-Aufgaben, Kostendruck und Ökonomie über Hand nehmen und zu einem Gefühl des Ausgelaugtseins und der Überforderung führen. Dies belegt zugleich eine Studie der BezÄK Koblenz, bei der 73 Prozent der Befragten angaben, dass sie für sich persönlich ein Burnout sehr ernst nähmen. „Solche Zahlen gab es vor 15, 20 Jahren nicht“, äußerte sich Dr. Fuchs besorgt.

Die Unzufriedenheit, die in der Runde offen diskutiert wurde, spiegelt sich in aktuellen  Umfragen wider: Knapp 50 Prozent der Assistenzärzte an Kliniken sind mit ihrem Arbeitsplatz nicht zufrieden; gut zwei Drittel der Medizinstudenten können sich vorstellen, „bei besseren Gehalts- und Arbeitsbedingungen im Ausland zu arbeiten“ (vgl. hierzu Dt. Ärzteblatt, Heft 37 „Arbeitsplatz Krankenhaus“). Zahlen, die konkrete Auswirkungen auf die Situation der Ärzteschaft in der Region haben, wie auch die anwesenden Kollegen bestätigten: So gehen im hausärztlichen Bereich in den nächsten 10 Jahren ca. 50 % der  Kollegen in den Ruhestand. Aufgrund des ausbleibenden Nachwuchses erwarten die verbleibenden praktizierenden Ärzte eine immense Mehrbelastung.

System auf regionaler Ebene mitgestalten

Der rege Austausch am runden Tisch machte im Kern immer wieder eines deutlich: Wir müssen Entscheidungsfreiheit und Autonomie zurückgewinnen, um wieder mehr Zufriedenheit aus unserer Arbeit herauszuziehen und den Beruf damit auch für den Nachwuchs attraktiver zu machen. Wie der Weg dahin konkret aussehen kann, auch dazu gab es Anregungen und Impulse:

Über sog. Patientenstammtische sollen Bürger stärker in die Probleme der medizinischen Versorgung einbezogen werden. Die Kreisärzteschaft in Neuwied geht bereits mit gutem Beispiel voran: Jeden Monat treffen sich Ärzte und Patienten, um sich mit der aktuellen Gesundheitspolitik auseinanderzusetzen, wie Dr. Anja Meurer hierzu ausführte  (Internetseite: patienten-in-neuwied).

Mit Foren auf Kreisebene soll darüber hinaus die Kommunikation und der Austausch innerhalb der Ärzteschaft intensiviert werden. Die Diskussion um Profession und Berufsethos muss auf breiter Basis angestoßen werden; über diesen  Austausch soll eine neue Solidarität erwachsen, die in vielen Schritten den Arztberuf stärkt und die Ärzteschaft wieder zu Mitentscheidern macht, so der gemeinsame Konsens.

Bezirks- und Landesärztekammer sollen sich in diesen Prozess der Positionierung verstärkt einbringen. Dazu gehöre auch, vorgegebene Standards und von oben übergestülpte Anforderungen kritisch zu überprüfen, den Arztberuf von allzu überzogenen Vorgaben zu entrümpeln. Es sei durchaus möglich, so Dr. Fuchs, das allzu Perfektionistische auf ein gesundes Maß herunter zu brechen, ohne dass die Patientenbehandlung leide.

„Als Bezirksärztekammer wollen wir diesen durch das Forum angestoßenen Prozess begleiten und Ihnen, wo immer möglich, Unterstützung leisten“, sicherte Vorsitzender Dr. Fuchs den Teilnehmern abschließend zu.