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Terminservice- und Versorgungsgesetz TSVG

Im März dieses Jahres hatte der Bundestag ein umfangreiches gesundheitspolitisches Gesetzespaket verabschiedet, das Terminservice- und Versorgungsgesetz. Es sollte vor allem eine schnellere Terminvergabe der Ärzte an Kassenpatienten ermöglichen, die Digitalisierung im Gesundheitswesen beschleunigen und die Bezahlung von Therapeuten verbessern. Unser Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte die Meinung vertreten: „Dieses Gesetz wird die Versorgung schneller, besser und digitaler machen.“

Das neue Gesetz enthält eine Vielzahl an Detailregeln. So sollen zum Beispiel Kassenärzte ihre wöchentliche Mindestöffnungszeiten um 5 auf 25 Stunden ausdehnen und die bestehenden Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen sollen vom Jahr 2020 an bundesweit zu jeder Zeit online und telefonisch erreichbar sein.

Ob ein solches dirigistisches und kleinteiliges Gesetzespaket die Versorgung unserer Patienten tatsächlich verbessert, war von Anfang an fraglich. Die Mehrzahl unserer niedergelassenen Kollegen und insbesondere auch die Hausärzte bieten bereits 25 und mehr Stunden an Patienten-Kontaktmöglichkeiten an. Hausbesuchstätigkeiten sind selbstverständlich mit einzurechnen.

In diesem Zusammenhang ist allerdings folgendes zu bedenken: Bereits heute ist rund ein Drittel der Hausärztinnen und Hausärzte älter als 60 Jahre und etwa 13% praktizieren im Rentenalter noch weiter. Möglicherweise haben sie noch keinen Praxisnachfolger gefunden und sie möchten ihre zum Teil seit Jahrzehnten vertrauten Patienten nicht ärztlich unversorgt lassen. Dass solche Kollegen vielleicht in reduzierter Form arbeiten, halte ich für nachvollziehbar. Vergleichbares mag auch bei zeitweiser Betreuung von pflegebedürftigen Familienangehörigen und Kindern gelten.

Die selbstständige ärztliche Tätigkeit gilt immer noch als Ausübung eines freien Berufs. Mit jeder abermaligen in seinen Folgen nicht hinreichend bedachter Einschränkung verliert die ärztliche Selbstständigkeit weiter an Attraktivität. Die Zwangsausweitung der Sprechstundenzeit ist sicher hierbei kontraproduktiv. Zur Lösung möglicher Probleme beim Zugang zur medizinischen Versorgung wäre eher ein Abbau unnötiger Bürokratie und eine Entbudgetierung sämtlicher Grundleistungen von Haus- und Fachärzten hilfreich.

Die Regressbedrohung in unseren Praxen bleibt auch unter neuer Gesetzeslage unverändert als Skandal. Positiv am Terminservice- und Versorgungsgesetz anzumerken ist, dass die Rückgriffszeit für Arzneimittel-regresse von vier auf zwei Jahre verkürzt wird.

Begrüßenswert am neuen Gesetz ist auch die zusätzliche extrabudgetäre Vergütung für die Behandlung neuer Patienten sowie die Vergütung für Vermittlung von Facharztterminen, eine Hilfestellung, die in der Vergangenheit umsonst geleistet wurde.

Der Verfasser dieser Zeilen blickt auf mehr als 30 Jahre hausärztliche Tätigkeit zurück. Diese umfasst in der Regel eine auf langjährige Betreuung angelegte Versorgung von Patienten und ihrer Familien, eine gelebte Anamnese und die umfangreiche Kenntnis des Patienten, seines Gesundheitszustandes und des sozialen Umfelds. Von Notfällen abgesehen ist eine hausärztliche Versorgung gerade in unserer älter werdenden Gesellschaft mit zunehmender Multimorbidität und chronischer Erkrankung auf Kontinuität angelegt. Die Sinnhaftigkeit zufälliger Terminvergaben rund um die Uhr über anonyme Terminservicestellen an wechselnde Kollegen ist im hausärztlichen Bereich -von Ausnahmen abgesehen- schwer vorstellbar und ein solches Vorgehen ist sicher nicht kostensparend.

Die industrielle Digitalisierungswirtschaft steht schon lange in den Startlöchern. Im Gesundheitswesen drückt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bezüglich Digitalisierung auf die Tube.

Es wäre äußerst wichtig, dafür zu sorgen, dass die sensiblen Vorgänge im Gesundheitswesen bei einer Digitalisierung praxistauglich und absolut sicher ablaufen. Politischer Druck und überhastete Einführungen sind hierbei kontraproduktiv.

Gängelungen und kleinteilige Eingriffe in unserem Praxisalltag -zum Teil fern jeglicher Versorgungsrealität- lösen Unruhe und Frustrationen bei denen aus, die die tagtägliche Versorgung schultern. Ein solches fortlaufendes Hereinregieren verbunden mit ständigen Updates ist sicherlich auch nicht geeignet, hinreichenden Nachwuchs für unseren im Grunde schönen hausärztlichen Beruf zu gewinnen.

Dr. med. Manfred Schnellbächer, Birkenfeld