Mutterschutzgesetz

Das neue Mutterschutzgesetz - was ist wirklich neu?

Was ist das Ziel des Mutterschutzgesetzes [MuSchG], das am 1. Januar 2018 in Kraft trat?

Die Gesundheit und das Leben von entstehendem Kind und Mutter sollen möglichst gut vor Gefahren und Gefährdungen geschützt werden. Deshalb wurde der Geltungsbereich ausgeweitet auf

● Auszubildende und Praktikantinnen sowie Schülerinnen,

● Frauen mit Behinderung, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind,

● Entwicklungshelferinnen im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes,

● Freiwillige im Jugendfreiwilligendienst sowie im Bundesfreiwilligendienst,

● Frauen, die Mitglied einer geistlichen Genossenschaft, Diakonissinnen oder Angehörige einer ähnlichen  Gemeinschaft auf einer Planstelle oder in einem Gestellungsvertrag sind (auch während einer dortigen schulischen Ausbildung),

● Frauen, die in Heimarbeit tätig sind, sowie

● Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzunehmen sind. Umfasst werden Schwangere, Frauen nach einer Geburt sowie stillende Mütter. Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen sind laut Gesetz von diesen Regelungen ausgenommen.

Als wichtigstes Ziel soll das ungeborene Leben geschützt werden. Das bedeutet, dass auch die werdende Mutter nicht kraft eigener Entscheidung gesetzliche Beschränkungen außer Kraft setzen kann.

Das nächste wichtige Ziel ist, den Reflex bei Arbeitgebern sowie bei Schwangeren zu unterbrechen, dass eine Schwangere per se mit einem Berufsverbot belegt werden muss. Vielmehr wird der Arbeitgeber in die Pflicht genommen, nach anderen Einsatzgebieten im Betrieb zu schauen, um die werdende Mutter in einem Arbeitsbereich einzusetzen, in dem keine Gefährdung der Leibesfrucht besteht. Auch hier steht im Vordergrund der Schutz des ungeborenen Lebens.

Damit diese Ziele rasch umgesetzt werden können, ist es seit 1. Januar 2018 für jeden Arbeitgeber nach §10 MuSchG verpflichtend, für alle Arbeitsplätze / alle Tätigkeiten eine (vorbereitende) Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz durchzuführen. Dabei spielt es keine Rolle, ob auf diesem Arbeitsplatz eine weibliche Beschäftigte oder ein Mann eingesetzt sind. Auch wenn man voraussetzen würde, dass eine Schwangerschaft eher unwahrscheinlich sein wird (z. B. bei Diakonissinnen), ist eine solche Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Es könnte ja doch eine Frau auf dieser Stelle zum Einsatz kommen, die schwanger werden könnte.

Was ist denn nun als Gefährdung anzusehen, die eine Schädigung des werdenden Kindes oder der Mutter zur Folge haben könnte?

Das Mutterschutzgesetz bezieht sich dabei auch auf die Biostoff-Verordnung und die arbeitsmedizinische Vorsorge-Verordnung (§6). Es wird besonders darauf verwiesen, dass – gerade im medizinischen Bereich – der Immunschutz durch Impfungen oder vorhandene Antikörper überprüft und gegebenenfalls im Vorfeld einer Schwangerschaft durch Impfungen aufgebaut wird. Gerade in Bereichen, in denen mit Kindern im Vorschulalter oder mit behinderten Menschen gearbeitet wird, sowie in entsprechenden Laboren wird ein erhöhtes Infektionsrisiko angenommen. Explizit im Gesetz erwähnt werden die Infektionserkrankungen der Röteln und Toxoplasmose.

Der / die zuständige Betriebsarzt / Betriebsärztin wird sicherlich bei der Beurteilung der Arbeitsplätze und Erstellung der Gefährdungsbeurteilung beratend zur Seite stehen.

Physikalische Einwirkungen wie z. B. ionisierende und nicht ionisierende Strahlungen müssen ebenso wie Vibrationen und Lärm, Kälte, Nässe oder Hitze vermieden werden.

Des Weiteren wird für die werdende Mutter gefordert, dass Ruhezeiten explizit eingehalten und Arbeitszeiten nur in beschränktem Maße eingefordert werden. So ist eine regelmäßige Arbeitszeit von achteinhalb Stunden einschließlich Pausen arbeitstäglich oder neunzig Stunden in der Doppelwoche (einschließlich Sonntagen) zulässig. Eine Ruhephase von elf Stunden nach einem Arbeitstag muss gewährt werden.

Nach 20:00 Uhr darf nur mit Einverständnis der Mutter bis längstens 22:00 Uhr ein Einsatz geplant und durchgeführt werden. Die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde ist dazu einzuholen (§29 Abs. 3). Während der Prüfung darf der Arbeitgeber die Beschäftigte bis 22:00 Uhr einsetzen. Wird der Antrag nicht innerhalb von sechs Wochen abgelehnt, gilt er als genehmigt. Nachtarbeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr verbietet sich.
Die Wochenenden sind grundsätzlich als Erholungszeiten vorgesehen. Bei einem Einsatz an Sonntagen oder Feiertagen, welcher nur mit dem Einverständnis der Frau erfolgen darf, muss nach einer Ruhephase von elf Stunden nach Arbeitsende ein Freizeitausgleich im Sinne eines arbeitsfreien Tages gewährt werden.

Grundsätzlich darf die schwangere Frau in den letzten 6 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin nur mit ihrem Einverständnis eingesetzt werden. Dieses Einverständnis kann jederzeit von ihr widerrufen werden. Nach der Entbindung besteht eine Schutzfrist von acht Wochen, bei Mehrlingsschwangerschaften zwölf Wochen. Auch bei Frühgeburten oder entbundenen behinderten Kindern verlängert sich die Frist auf zwölf Wochen. Weitere Einzelfälle sind im Gesetz näher erläutert.

Für die Zeit, die für die Frau zur Durchführung von Untersuchungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind, muss eine Freistellung gewährt werden. Entsprechendes gilt auch für Frauen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.

Eine stillende Frau hat auf ihr Verlangen während der ersten zwölf Monate nach der Entbindung für mindestens zweimal täglich eine halbe Stunde oder einmal täglich für eine Stunde Anspruch auf eine Freistellung. Auch diese Zeit der Freistellung ist Arbeitszeit und muss ebenfalls nicht vor- oder nachgearbeitet werden. Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als acht Stunden beträgt die Stillzeit zweimal fünfundvierzig Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, einmal täglich mindestens neunzig Minuten. Die Arbeitszeit gilt als zusammenhängend, wenn sie nicht durch eine Pause von mehr als zwei Stunden unterbrochen ist.

Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen muss in der Gefährdungsbeurteilung so festgelegt sein, dass die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der physischen und psychischen Gesundheit der schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes ergriffen werden. Gefährdungen sollen möglichst vermieden werden, unverantwortbare Gefährdungen müssen ausgeschlossen werden. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.

Der Einsatz mit Gefahrstoffen, die reproduktionstoxisch nach der Kategorie 1A, 1B oder 2 der Gefahrstoff-Verordnung eingeordnet werden oder mit Wirkungen auf die Laktation, die keimzellmutagen oder karzinogen nach der Kategorie 1A oder 1B, spezifisch zielorgantoxisch nach einmaliger Exposition nach der Kategorie 1 oder akut toxisch nach der Kategorie 1, 2 oder 3 sind, sowie Blei oder Bleiderivate, wenn die Gefahr besteht, dass diese Stoffe vom menschlichen Körper aufgenommen werden, und Gefahrstoffe, die trotz Einhaltung von arbeitsplatzbezogenen Vorgaben möglicherweise zu einer Fruchtschädigung führen, als auch Arbeiten mit Gefährdung durch Gewalt oder Aggression mit der Gefahr von Tätlichkeiten oder durch Unfälle wie Ausgleiten, Stürzen oder Fallen sind nicht zulässig. Regelmäßiges Heben, Halten, Bewegen oder Befördern von Lasten mit mehr als fünf Kilogramm ohne mechanische Hilfsmittel oder gelegentlich mehr als zehn Kilogramm dürfen nicht zugelassen werden. Auch ständiges und bewegungsarmes Stehen über mehr als vier Stunden täglich oder Zwangshaltungen dürfen nicht eingefordert werden. Ebenso darf das Tragen von Schutzausrüstung, die eine Belastung darstellt, nicht abverlangt werden. Zusätzlich sind Tätigkeiten, die mit einem erhöhten Druck im Bauchraum einhergehen, insbesondere Tätigkeiten mit besonderer Fußbeanspruchung nicht zulässig.

Für getaktete Arbeiten und unter Zeitdruck wie bei Akkordarbeit darf die Schwangere nicht eingesetzt werden.

Kosten für Maßnahmen nach dem Mutterschutzgesetz darf der Arbeitgeber nicht den Personen auferlegen, die bei ihm beschäftigt sind.

Sobald eine Frau ihrem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist oder stillt, hat der Arbeitgeber unverzüglich die Schutzmaßnahmen entsprechend der Gefährdungsbeurteilung nach § 10 MuSchG (s. o.) festzulegen und umzusetzen.

Nur dann darf ein Arbeitgeber die schwangere oder stillende Frau nicht weiter beschäftigen, wenn er unverantwortbare Gefährdungen für die schwangere oder stillende Frau weder durch Schutzmaßnahmen gemäß Gefährdungsbeurteilung noch durch einen Arbeitsplatzwechsel ausschließen kann.

Dem Arbeitgeber obliegt eine Dokumentationspflicht bezüglich des Ergebnisses der Gefährdungsbeurteilung, der Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen und das Ergebnis von deren Überprüfung sowie dem Angebot eines Gesprächs mit der Frau über weitere Anpassungen ihrer Arbeitsbedingungen [nach § 10 Abs. 2 Satz 2 MuSchG].

Über die Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz und die festgelegten Schutzmaßnahmen hat der Arbeitgeber ALLE Personen, die bei ihm beschäftigt sind, zu unterrichten.

Unbenommen davon besteht weiterhin der Kündigungsschutz während der Schwangerschaft und die folgenden vier Monate nach der Entbindung.

Auch zu Mutterschaftsgeld usw. finden sich Angaben im neuen Mutterschutzgesetz, die jedoch den hiesigen Rahmen sprengen würden, würde darauf noch eingegangen.

Der Arbeitgeber hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu benachrichtigen, wenn eine Frau ihm mitgeteilt hat, dass sie schwanger ist oder stillt. Verstöße sind mit Bußgeld bewehrt.

Bei weiteren Fragen zum Mutterschutz wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Betriebsarzt /Ihre Betriebsärztin.

Dr. med. Jürgen Dannhäuser, Andernach